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Neues vom ESMO BC und ASCO
Das in Chicago abgehaltene ASCO Annual Meeting ist der weltweit größte Onkologie-Kongress und zählt zu den wichtigsten Foren für aktuelle Entwicklungen in der Krebsmedizin. Auch in diesem Jahr wurden dort zahlreiche neue Erkenntnisse zur Behandlung von Mammakarzinomen vorgestellt. Ergänzend dazu bot der ESMO Breast Cancer Kongress, der dieses Jahr in München stattfand, als spezialisierte Plattform für Brustkrebserkrankungen vertiefte Einblicke in aktuelle Fortschritte aus Forschung und Klinik. Besonders hervorzuheben sind praxisnahe zu Palbociclib und Tucatinib, die in diesem Jahr eine zentrale Rolle spielten.
PADMA-Studie: Verbesserte Lebensqualität und reduzierte Behandlungsbelastung mit Palbociclib plus endokriner Therapie bei Hochrisiko-HR+/HER2- mBC
Die PADMA-Studie (NCT03355157) ist die erste prospektive, randomisierte, offene, multizentrische Studie, die Palbociclib (PAL) plus endokrine Therapie (ET) mit einer Standard-Monochemotherapie (CT) ± Erhaltungstherapie mit ET als Erstlinientherapie bei Patientinnen und Patienten mit HR-positivem/HER2-negativem metastasiertem Brustkrebs (mBC) verglichen hat. Die Studie hatte zwischen April 2018 und Dezember 2023 rekrutiert und Brustkrebspatientinnen und Patienten mit einem „hohen Risiko“ eingeschlossen, was durch die Indikation für eine Chemotherapie definiert wurde. 1
Die PADMA-Studie erreichte ihren primären Endpunkt, wobei unter PAL/ET eine signifikant längere Zeit bis zum Therapieversagen (TTF) beobachtet wurde. Auch das progressionsfreie Überleben (PFS) – ein sekundärer Endpunkt – war in der PAL/ET-Gruppe verlängert. 1
Neben der Wirksamkeit untersuchte PADMA auch den Einfluss der Therapie auf die Lebensqualität (QoL) und die Behandlungsbezogene Kontaktlast (TRC). Die Ergebnisse wurden beim ESMO BC in diesem Jahr in zwei Postern (#310P 2 & #323P 3) vorgestellt und zeigen:
Diese Ergebnisse unterstreichen, dass PAL/ET gegenüber einer CT nicht nur die Krankheitskontrolle verlängert, sondern auch die Behandlungsbelastung reduziert und die Lebensqualität verbessert – ein klarer Vorteil für Patientinnen und Patienten mit hohem Risiko in der Erstlinientherapie.
Folien zur PADMA-Studie finden Sie hier.
Praxisnahe Daten aus Real-World Studien
Neben randomisierten klinischen Studien liefern Real-World-Studien wichtige Daten, da sie die Wirksamkeit und Sicherheit von Therapien unter Alltagsbedingungen mit einer breiteren Patientengruppe als in klinischen Studien erfassen können. Sie ergänzen randomisierte Studien, indem sie praxisnahe Erkenntnisse zur Versorgung und Langzeitwirkung liefern. 7,8
Real-World-Wirksamkeit von Palbociclib in Kombination mit einem Aromatasehemmer bei HR+/HER2− ossär metastasiertem Brustkrebs
Patientinnen und Patienten mit ausschließlich ossärer ( bone-only) Metastasierung stellen eine klinisch relevante Subgruppe des HR+/HER2- Mammakarzinoms dar. Wie wirksam Palbociclib in Kombination mit einem Aromataseinhibitor als Erstlinienbehandlung in dieser speziellen Situation ist, untersuchte eine große retrospektive Real-World-Analyse von Brufsky et al. Die Studiendaten stammen aus der Flatiron Health EHR-derived database MBC Enhanced Datamart, einer elektronischen Gesundheitsdatenbank mit Informationen aus rund 280 onkologischen Einrichtungen in den Vereinigten Staaten. Auf dem ESMO BC 2025 wurden Daten dieser Analyse in einem Poster (#319P) vorgestellt. 9
In allen drei untersuchten Endpunkten - dem Gesamtüberleben (OS), der real-world progressionsfreien Überlebenszeit (rwPFS) und der Zeit bis zur Chemotherapie (TTC) - zeigte die Kombinationstherapie mit Palbociclib eine signifikante Überlegenheit gegenüber der Monotherapie mit einem Aromataseinhibitor. 9 Nach statistischer Adjustierung hinsichtlich relevanter klinischer und demographischer Parameter durch stabilisiertes Inverse Probability of Treatment Weighting (sIPTW) 10
Die Autoren schlussfolgerten, dass die Anwendung von Palbociclib in Kombination mit einem Aromataseinhibitor in der 1. Therapielinie bei Patientinnen und Patienten mit ausschließlich ossärer Metastasierung durch diese Real-World-Daten unterstützt wird.
Folien zur RWE (Flatiron) finden Sie hier.
Praxisnahe Real-World Daten: Prospektive Kohortenstudie zu Palbociclib bei HR+/HER2- metastasiertem Brustkrebs in Japan
Eine weitere interessante Real-World Studie zur Anwendung von Palbociclib wurde auf dem ASCO 2025 in einem Poster (Abstract #1056) vorgestellt. 11 In dieser prospektiven Beobachtungsstudie wurden zwischen April 2019 und Januar 2023 insgesamt 700 Patientinnen und Patienten mit postmenopausalem HR+/HER2- metastasiertem Brustkrebs in Japan eingeschlossen. Die Patientinnen und Patienten wurden in drei Kohorten (A, B, C) eingeteilt, basierend auf der Therapielinie (1., 2. oder ≥3. Linie der endokrinen Behandlung). Die Ergebnisse zeigten:
Im Vergleich zu den Ergebnissen den randomisierten klinischen PALOMA-Studien zeigt sich, dass die Resultate der Erstlinientherapie (Kohorte A) weitgehend mit PALOMA-2 übereinstimmen. Die Zweitlinientherapie (Kohorte B) hingegen übertraf deutlich die Resultate der PALOMA-3-Studie. 12-15 Dabei ist jedoch zu betonen, dass direkte Vergleiche zwischen Studien aufgrund unterschiedlicher Studiendesigns und Patientenkollektive nur eingeschränkt zulässig sind. Alles in allem liefert diese Real-World-Studie jedoch praxisnahe und klinisch relevante Evidenz, dass Palbociclib in Kombination mit endokriner Therapie auch außerhalb kontrollierter Studienbedingungen wirksam ist.
Real-World-Analyse liefert Erkenntnisse zur Sequenzierung der Kombination von Tucatinib, Trastuzumab und Capecitabin nach Trastuzumab Deruxtecan
Die optimale Therapiesequenz beim HER2-positiven metastasierten Brustkrebs (HER2+ mBC) ist aktuell Gegenstand intensiver Diskussionen. Die Daten der DESTINY-Breast09 Studie sprechen für einen zunehmenden Einsatz von Trastuzumab Deruxtecan in frühen Therapielinien. 16 Unklarheit besteht weiterhin bei der Wahl der darauffolgenden Linien.
Eine im vergangenen Jahr publizierte Kohortenanalyse aus Frankreich lieferte Hinweise auf die klinische Wirksamkeit der Kombination aus Tucatinib, Trastuzumab und Capecitabin (TTC) nach T-DXd. 17 Diese retrospektive Real-World-Studie wurde nun durch ein Abstract (#1030) auf dem diesjährigen ASCO mit verlängertem medianen Follow-up von 29,6 Monaten ergänzt. Untersucht wurden Brustkrebspatientinnen und Patienten, die TTC nach T-DXd erhielten - ein Szenario, das in der täglichen Praxis eine hohe Relevanz besitzt. 18
Analysiert wurden 101 Patientinnen und Patienten mit HER2+ mBC aus 12 französischen Krebszentren, die zwischen August 2020 und Dezember 2022 TTC nach T-DXd erhielten - meist in der Dritt- oder Viertlinie (Median: 4 Vortherapien). Die aktuelle Analyse zeigte ein medianes progressionsfreies Überleben (PFS) von 4,7 Monaten und ein medianes Gesamtüberleben (OS) von 13,9 Monaten. Bei Patientinnen und Patienten, die TTC direkt im Anschluss an T-DXd erhielten lag das mediane PFS bei 5,2 Monaten, das OS war mit 13,9 Monaten vergleichbar zur Gesamtkohorte. Auch bei Patientinnen und Patienten mit Hormonrezeptor-positiver Erkrankung zeigte sich eine klinische Aktivität des Tucatinib-Triplets. Hier betrugen das mediane PFS und OS jeweils bei 4,1 und 13,4 Monaten, während bei der Hormonrezeptor-negativen Erkrankung ein PFS und OS von 5,8 bzw. 17,5 Monaten beobachtet werden konnten.
Diese aktualisierten Real-World-Daten liefern wichtige Erkenntnisse zur Anwendung des Tucatinib-Triplets nach T-DXd im klinischen Alltag. Die in späten Therapielinien beobachtete Wirksamkeit legt nahe, dass TTC auch nach T-DXd eine therapeutische Option darstellen kann.
Früherkennung von ESR1-Mutationen: Neue Impulse für eine personalisierte Therapieentscheidung
Die auf dem ASCO 2025 präsentierten Daten der SERENA-6 Studie 19,20 unterstreichen, wie ein molekular gesteuerter Therapiewechsel bei Nachweis einer Mutation im estrogen receptor 1 Gen ( ESR1) im Blut ( bESR1mut) unter der Therapie mit einem Aromataseinhibitor (AI) und einem CDK4/6-Inhibitor einen klinischen Progress verzögern und damit das progressionsfreie Überleben (PFS) verbessern kann. Dieser Ansatz rückt die Diskussion um die Bedeutung eines Monitorings zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) zunehmend in den Fokus der klinischen Praxis.
Vor diesem Hintergrund liefert eine neue Analyse der prospektiven Phase-3-Studie PADA-1 (Abstract #10, Folien dazu finden Sie hier), vorgestellt beim ESMO BC Kongress 2025, wichtige Erkenntnisse zur Kinetik und zu prädiktiven Faktoren des Auftretens von bESR1mut. 21 In dieser Studie (auf der auch der Ansatz der SERENA-6 Studie basiert) konnte erstmals gezeigt werden, dass der präemptive Wechsel von einem AI auf Fulvestrant (jeweils in Kombination mit Palbociclib) bei Nachweis einer bESR1mutdas PFS verlängern kann. 22,23
Insgesamt erhielten 1.017 Patientinnen und Patienten mit Hormonrezeptor-positivem und HER2-negativem metastasierten Brustkrebs (HR+/HER2- mBC) eine Erstlinientherapie mit einem Aromataseinhibitor (AI) und Palbociclib. Es wurde ein zentrales Monitoring des Auftretens einer bESR1mut mittels Droplet digital PCR (ddPCR) durchgeführt. Die kumulative Inzidenz einer neu aufgetretenen ESR1-Mutation betrug dabei 41,7%. Besonders häufig konnten Mutationen in der Zeitspanne zwischen 6 Monaten und 3 Jahren nach Beginn der Behandlung nachgewiesen werden. Die Inzidenz vor und nach diesem Zeitraum war gering, sodass die zeitliche Verteilung der Nachweise einer glockenförmigen Kurve folgt (Abb. 1) - ein Hinweis auf die Dynamik therapieassoziierter Resistenzentwicklung. 21
Abbildung 1. Zeitliche Dynamik des Nachweises einer ESR-1 Mutation (hellblaue Kurve "Rising ESR1“) und des Auftretens eines Progresses mit fehlendem Nachweis einer ESR-1 Mutation (dunkelblaue Kurve „ESR1NDPD“).21
Prädiktive Faktoren für ein erhöhtes Risiko eines bESR1mut Nachweises waren u.a. Knochenmetastasen, hohe Östrogenrezeptorexpression, jüngeres Alter und erhöhte Lactatdehydrogenase (LDH) -Werte zu Therapiebeginn.21
Die Daten betonen den Wert eines personalisierten ctDNA-Monitorings und identifizieren Subgruppen, die von Therapiestrategien, wie sie in der PADA-1 oder SERENA-6-Studie verfolgt werden, verstärkt profitieren könnten.
Referenzen
1. Loibl S, et al. SABCS 2024; Abstract SESS-3616.
2. Radisic V, et al. ESMO Breast Cancer 2025; poster presentation P310
3. Lukac S, et al., ESMO Breast Cancer 2025, poster presentation P232
4. FACT-B (Functional Assessment of Cancer Therapy-Breast) ist ein Instrument zur Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (HRQoL) zur Messung der multidimensionalen Lebensqualität von Brustkrebspatientinnen. FACT-G (Functional Assessment of Cancer Therapy-General) ist ein allgemeines HRQoL-Instrument, das in klinischen Krebsstudien und der Krebsforschung eingesetzt wird. FACT-B-TOI (Functional Assessment of Cancer Therapy-Breast-Trial Outcome Index) ist eine Unterskala von FACT-B, die speziell zur Messung studienspezifischer Ergebnisse entwickelt wurde.
5. Kikawa Y, et al. PLoS One. 2022, Nov 29;17(11): e0278344.
6. Brady MJ, et al. J Clin Oncol. 1997, Mar;15(3):974-86
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8. Zuidgeest MGP, et al. J Clin Epidemiol. 2017, Aug:88:7-13
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17. Frenel et al. JAMA Netw Open. 2024, Apr 1;7(4):e244435
18. Frenel et al. ASCO Annual Meeting 2025; Poster Abstract #1030
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20. Turner C, et al. ASCO Annual Meeting 2025; oral presentation LBA4
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